4.5 Die Sakramente

„Sakramente sind heilige Handlungen, durch die Gott mit den Menschen einen Bund schließt… [Sie] bilden die unentbehrlichen Grundlagen, Kinder Gottes zu sein.“1)

Die Sakramente stellen eine zentrale Heilseinrichtung der Kirche dar und gehören zum Kern christlicher Lehre, daher ist ein verantwortungsbewusster Umgang damit notwendig. In diesem Abschnitt soll die Entwicklung der Sakramentenlehre in der NAK skizziert werden.

4.5.1 Aktuelles Sakramentsverständnis (Stand: 1992)

Dass die Kirche drei Sakramente haben soll, wird mit 1 Joh 5,6-8 begründet:

Jesus Christus ist es, der gekommen ist durch Wasser und Blut; nicht im Wasser allein, sondern im Wasser und Blut; das bezeugt der Geist, weil der Geist Wahrheit ist. Denn drei sind es, die Zeugnis ablegen, der Geist und das Wasser und das Blut, und diese drei sind eins.

Wassertaufe

„Ich glaube, daß die Heilige Taufe mit Wasser ein Bestandteil der Wiedergeburt ist und der Täufling dadurch die Anwartschaft zur Empfangnahme des Heiligen Geistes erlangt. Sie ist ferner der Bund eines guten Gewissens mit Gott.“2)

Die Wassertaufe3) ist

  • ein Bestandteil der Wiedergeburt und notwendige Voraussetzung zur Hinnahme des Heiligen Geistes;
  • der Bund eines guten Gewissens mit Gott;
  • mit der Abwaschung der Erbsünde verbunden.

Abendmahl

„Ich glaube, daß das Heilige Abendmahl zum Gedächtnis an das einmal gebrachte, vollgültige Opfer, an das bittere Leiden und Sterben Christi, vom Herrn selbst eingesetzt ist. Der würdige Genuß des Heiligen Abendmahls verbürgt uns die Lebensgemeinschaft mit Christo Jesu, unserem Herrn. Es wird mit ungesäuertem Brot und Wein gefeiert; beides muß von einem priesterlichen Amt der Kirche gesegnet und gespendet werden.“4)

Das Heilige Abendmahl5)

  • wird gefeiert zum Gedächtnis an das Leiden und Sterben Jesu;
  • erhält das ewige Leben der Seele und festigt die Lebensgemeinschaft mit Jesus;
  • enthält Überwinderkräfte;
  • vergegenwärtigt Jesus Christus;
  • ist Freude, Lobpreis, Danksagung.

Versiegelung

„Ich glaube, daß die mit Wasser Getauften durch einen Apostel zur Erlangung der Gotteskindschaft den Heiligen Geist empfangen müssen, wodurch sie als Glieder dem Leibe Christi eingefügt werden.“6)

Die Versiegelung7) ist

  • die Spendung des Heiligen Geistes;
  • der wesentliche Teil der Wiedergeburt;
  • die Grundlage zur Gotteskindschaft;
  • das Unterpfand zur ewigen Herrlichkeit.

4.5.2 Entwicklung der Sakramentenlehre in der NAK

Nun soll die Entwicklung der Sakramentenlehre anhand apostolischer bzw. neuapostolischer Quellen in chronologischer Folge dargestellt werden. Zunächst wird die Ausgangssituation dargestellt, wie sie im Testimonium wiedergegeben ist.

Testimonium, 1836

Das Zeugnis der Apostel wurde zunächst 1836 verfasst und von E. A. Roßteuscher ins Deutsche übersetzt. Die Zitate (und Abschnittsnummern) in diesem Abschnitt beziehen sich auf die von Peter Sgotzai editierte Synopse8) aus dem englischen Original und Roßteuschers Übersetzung in Aufbau der Kirche Christi, 2. Auflage, 1886.

Die katholisch-apostolischen Apostel kennen zunächst nur zwei Sakramente, nämlich Taufe und Abendmahl:

Die von Jesus Christus eingesetzten Sakramente … sind: das Sakrament der Taufe, gestiftet zur Mitteilung dieses Lebens durch Wiedergeburt aus dem Herrn Jesus Christus, welcher ist der zweite Adam, der lebendig machende Geist; und das Sakrament des Heiligen Abendmahls, wodurch dieses Leben erhalten, gestärkt und erneuert und seine fortwährende Betätigung gesichert wird. [§ 24]

Dennoch gibt es auch eine Versiegelung, die jedoch nur ein Aspekt der Spendung des Heiligen Geistes ist, vollzogen durch Handauflegung eines Apostels.

Taufe

Die Taufe hat folgende Eigenschaften:

  • sie dient zur Abwaschung der Sünden,
  • sie ist das Bad der Wiedergeburt und macht uns zu Gotteskindern,
  • sie fügt uns als Glieder dem Leibe Christi ein.

In dem Sakrament der Taufe gebraucht Gott das Element des Wassers zur Abwaschung der Sünden und zu unserer Erlösung, als Antwort eines guten Gewissens gegen Gott durch die Auferstehung Jesu Christi. Es ist das Bad der Wiedergeburt, wodurch uns Gott in Seiner großen Gnade rettet; denn, die wir tot waren in Übertretung und Sünden, werden zu Kindern Gottes, nicht geboren vom Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott; und durch die Mitteilung dieses Lebens werden wir in der Tat und Wahrheit Glieder des auferstandenen Herrn Jesus Christus; über welche der Tod keine Gewalt mehr hat, lebendige Reben an dem rechten Weinstocke. [§ 25]

Abendmahl

Das Abendmahl hat folgende Eigenschaften:

  • es nährt und erhält das durch die Taufe gepflanzte Leben,
  • es ist (im Brot) die Gemeinschaft des Leibes Christi,
  • es ist (im Wein) die Gemeinschaft des Geistes Christi,
  • es fördert Gemeinschaft und Einheit der Glieder und bringt die Tugenden Christi hervor.

In dem Sakrament der heiligen Kommunion [d. h. des Heiligen Abendmahls] wird das also [durch die Taufe] gepflanzte Leben beständig ernährt durch das Essen des Fleisches und durch das Trinken des Blutes Jesu Christi. Das Brot, welches in der Kirche Christi gebrochen wird, ist wirklich und wahrhaftig die Gemeinschaft Seines Leibes, dessen Leben am Kreuz ausgegossen ward, aber in dem nun nach Seiner Auferweckung aus den Toten, als in dem verklärten Leibe, das ewige Leben wohnt. Der Kelch, der in der Kirche Christi gesegnet wird, ist wirklich und wahrhaftig die Gemeinschaft Seines Blutes, und durch dasselbe werden die Gläubigen zu einem Geiste getränkt; es ist der Wein des Reiches, der Wein der Freude und Seligkeit, der Kelch des Heils. Und das ist die wahrhaftige, eigentliche und verordnete Wirkung dieses heiligen Sakramentes, das[s] durch die mächtige Kraft Gottes die lebendigen Glieder des Leibes Christi zu solcher nahen Gemeinschaft, zu solcher Einheit und wechselseitigen Einwohnung mit Ihm gebracht werden - Er in ihnen und sie in Ihm - ja, zu solcher Gemeinschaft Seiner Macht und Gnade, daß die Tugenden Seiner verklärten Menschheit so naturgemäß und unwillkürlich an ihnen zum Vorschein kommen sollten, wie die Trauben an den lebendigen Reben eines Weinstocks. [§ 26]

Apostolische Handauflegung

Die Handauflegung der Apostel hat folgende Eigenschaften:

  • Spendung des Heiligen Geistes zur Versiegelung aller Gläubigen,
  • Spendung des Heiligen Geistes zur Ordination der Amtsträger,
  • sie ist erforderlich, um bei der Wiederkunft Christi bestehen zu können.

Die Heilige Schrift gibt uns Aufschluß über die besonderen und bestimmten Zwecke, warum Apostel gegeben wurden. Sie sollten unter Christus die Häupter und obersten Regierer der katholischen Kirche sein; ferner die Quellen und Verkündiger der Kirchenlehre; und endlich durch Auflegung ihrer Hände den Heiligen Geist spenden, sowohl zur Versiegelung aller Gläubigen, als zur Ordination der Diener des Hauses Gottes. [§ 37]

Wer aber wird den Tag Seiner Zukunft erleiden mögen, und wer wird bestehen, wenn Er erscheinen wird? Nur ein heiliges Volk, das da wandelt als Kinder des Lichtes und des Tages, nur ein Volk, erfüllt mit dem Heiligen Geiste, jene Knechte Gottes, die an ihren Stirnen [durch Apostel] versiegelt sind, ehe die vier Winde des Himmels alle Elemente der Zerstörung loslassen werden. [§ 101]

Die Sakramente, „die Christus insonderheit eingesetzt hat“, sind nach dem Katechismus der Katholisch-apostolischen Gemeinden9) [19. Frage]: „Das Sakrament der Taufe, und das Sakrament der Eucharistie oder des Abendmahls des Herrn“. Die Handauflegung wird jedoch in der 47. Frage bezeichnet als „Sakrament oder eine heilige Handlung, worin denen, welche getauft und zu reifem Alter gelangt sind, die Gabe des Heiligen Geistes, des Trösters, ausgespendet wird“. Sie hat also bereits einen wichtigen Stellenwert. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass es auch andere Handlungen gibt, die als Sakramente bezeichnet werden können, so z. B. die „heilige Handlung der Salbung der Kranken mit Öl“ [55. Frage].

Hülfsbuch, 1908

Unter Stammapostel Niehaus erschien 1908 ein Hülfsbuch, herausgegeben für die Priester und Diener der Neuapostolischen Gemeinden für den Religions-Kinderunterricht. Das Hülfsbuch enthält im zweiten Teil das Glaubensbekenntnis und im dritten Teil Ausführungen über die Sakramente.

Seitenangaben bei Zitaten beziehen sich in diesem Abschnitt auf das Hülfsbuch.

Sie Sakramente - Taufe, Abendmahl und Versiegelung - werden zum dreieinigen Gott in Beziehung gesetzt:

Ist die Taufe zunächst das Werk Gottes des Vaters, so ist das heilige Abendmahl das Werk Gottes des Sohnes und die heilige Versiegelung das Werk Gottes des heiligen Geistes … [S. 34]

Taufe

„Ich glaube, daß der Mensch durch die Heilige Taufe das Kaufzeichen des Lammes empfängt und daß sie das Bad der Wiedergeburt ist, wodurch der Mensch als Glied dem Leibe Christi einverleibt wird, sie ist auch der Bund eines guten Gewissens mit Gott.“10)

Die heilige Taufe wird als Neugeburt aus Wasser bezeichnet und bewirkt durch den Glauben an das Apostelwort eine Abwaschung von der Sünde (eigener Sünde oder der Sünde der Eltern) und eine innerliche Erneuerung zur Erkenntnis des Gotteswillens.

Symbolisch ist die heilige Taufe mit Wasser biblisch vorgebildet durch

  • die Sintflut (althochdeutsch „große Flut“, im Hülfsbuch aber Sündflut genannt); „Die Sünder ersoffen und Noah wurde bewährt zum neuen Leben …“ [S. 19] (Gen 6-8; 1 Petr 3,20-21)
  • die Beschneidung als Bundeszeichen
  • den Durchzug durch das Rote Meer (eigentlich: Schilfmeer)
  • den Durchzug durch den Jordan (Jos 3)
  • das eherne Meer (1 Kön 7,23 und 2 Chr 4,2-6); „In diesem Wasser wuschen die Priester Hände und Füße. Das eherne Meer ist das Bild der Apostel und Heilslehre Christi, von den Aposteln [12 Ochsen] getragen und in alle Völker und Gemeinden sich ergießend.“ [S. 20]
  • die Reinigung (Lev 11,25: Reinigung nach Verunreinigung durch das Berühren toter Tiere)
  • die Waschung Naemanns im Jordan (2 Kön 5,10)
  • Jona im Fischbauch (Jona 1,15ff)
  • den Teich Bethesda (Joh 5,1-4), „wo die Kranken von ihrer Krankheit (Sünde) abgewaschen wurden“ [S. 20]

Die Taufe ist der Bund eines guten Gewissens mit Gott, „das Siegel des Bundes und des Glaubens“ [S. 21].

Die Taufe ist „Kaufzeichen des Lammes“: durch sie wird ein Mensch ins Eigentum Christi überführt (Joh 17,6). Ursprünglich waren alle Menschen Gottes Eigentum, wurden aber durch die Sünde Eigentum des Teufels. „Durch das Kaufzeichen hört die frühere eigene Existenz auf, der frühere alte Mensch (Adamswesen) soll mit seinem alten Sinn und Wandel mit Christo dem Käufer in den Tod gebracht werden … um mit Christo im neuen Leben aufzustehen.“ [S. 21]

Ausdrücklich wird bekräftigt, dass „die in anderen Kirchengemeinschaften empfangene Taufe auch Geltung in der Apostolischen Kirche“ habe [S. 22].

Zusammengefasst:

Die heilige Taufe ist also:

  1. das Wasserbad im Wort, Wiedergeburt aus Wasser,
  2. eine Abwaschung von der Sünde,
  3. die Bestätigung des Glaubens,
  4. der Bund eines guten Gewissens mit Gott,
  5. das Kaufzeichen des Lammes,
  6. eine Ersäufung des alten Adams.

Durch sie wird der Mensch

  1. erneuert zur Erkenntnis des Gotteswillens,
  2. zu Christo und seiner Gemeinde eingeführt,
  3. dem Leibe nach zu dem heiligen Tempel geweiht dem Herrn,
  4. Christum anziehen, Gal. 3, 27.

Im Unterschied zur aktuellen Lehre wird der Mensch nicht erst bei der Versiegelung dem Leibe Christi eingefügt, sondern bereits bei der Taufe.

Abendmahl

„Ich glaube, daß das Heilige Abendmahl zum Gedächtnis an das einmal gebrachte, vollgültige Opfer des bitteren Leidens und Sterbens Jesu Christi, wie von ihm selbst eingesetzt, mit ungesäuertem Brod und Wein gefeiert, und beides von einem priesterlichen Amte der Kirche gesegnet und gespendet werden muß.“11)

Das Abendmahl steht in engem Zusammenhang mit Predigt und Sündenvergebung (Freisprache, Absolution), seine erste Bedeutung liegt in der Besiegelung der Freisprache:

Durch das Wort der Wahrheit wird die Sünde im Gewissen lebendig, aber auch aller Unglaube und alles, was den Geist belastet. … Der Herr Jesus ist nun für die Sünder mit dem einmal gebrachten Opfer, welches ewiglich gilt, gekommen. Diejenigen nun, welche mit den Gedanken innerlich von Gott abgewichen sind, werden durch das Wort zurecht gebracht und von den Irrtümern frei gemacht. Das unruhige Gewissen, und der Leib mit seinen bösen Worten und Werken soll nun aber auch frei gemacht werden, wozu aber die Handlung des Sohnes in der Absolution erforderlich ist. … Das Wort macht also frei und bringt die Erkenntnis des Bösen und Guten. Aber der Sohn in der Handlung, Absolution und Abendmahl, macht recht frei, und zwar in Letzterem durch das einmal gebrachte Opfer, welches ewig gilt. … Durch das Wort der Absolution (Sündenvergebung) bekommt der Gläubige die Freisprache, aber durch den Genuß des heiligen Abendmahles die Quittung und das Siegel zur empfangenen Freisprache der vergebenen Sünde und des neuen Lebens. [S. 30-32]

Das Abendmahl kann nur gültig von Aposteln (oder den von ihnen beauftragten Ämtern) gesegnet und gespendet werden:

Dieses einmal gebrachte Opfer muß aber in geheiligten Menschen leben und aus ihnen genommen werden in der Konsekration … Die Apostel haben Jesum in seinen Erlösungstaten in sich aufgenommen Joh. 17, 23, Wort und Tat, wozu sie geheiligt sind, und durch die Apostel spendet es der Herr den Verlangenden. [S. 32]

Die Substanzen von Brot und Wein werden durch die Aussonderung nicht verändert, Fleisch und Blut Jesu kommen in einem geistigen Sinn hinzu:

Im heiligen Abendmahl bleibt „Brot“ Brot und „Wein“ bleibt Wein. Beides dient aber als Schale, wohinein die Taten Jesu durch das Wort gehüllt werden, das ist mein Leib und mein Blut usw. … Der Herr Jesus hat einst sein Fleisch (lebende Taten) und sein Blut (Geisteswirken) an das natürliche Brot und Wein gebunden. [S. 31f]

Das Abendmahl ist ein zweiseitiges, „kommunikatives“ Geschehen; Jesus gibt sich im Abendmahl der Gemeinde hin und die Gemeinde gibt sich im persönlichen Opfer Jesus hin:

Brot und Wein opfert die Gemeinde, und in diesem gebrachten Opfer soll die Gemeinde sich opfern, und zwar mit ihrem Leibe und Geiste als der gebrochene Wille im Brote, und die Reue und Liebe im Kelche. Auf dieses geopferte Fleisch und Blut der Gemeinde in Brot und Wein, worauf der Tod und das Gericht liegt, legt Jesus die Decke, sich selbst, in der Opferung des einmal gebrachten Opfers, was aber in lebende Boten gehüllt ist … Der Herr Jesus will unser Opfer, Reue, Buße, Glaube, Gebet, Danksagung, gnädiglich annehmen zum Genusse, und er will uns das geben, was er für uns bereitet und geopfert hat. [S. 32f]

Das Abendmahl ist „ein Mahl für Apostolische“ [S. 33], steht also Mitgliedern anderer Kirchen nicht offen. Es soll jeden Sonntag gefeiert werden.

Die enge Verbindung zwischen Abendmahl und Freisprache ist eine Neuerung gegenüber der alten Ordnung.

Sündenvergebung und Abendmahl sind nach heutigem Verständnis zwar aufeinander bezogen, jedoch deutlich getrennt12). Das Opfer der Gemeinde wird nicht mehr in dem engen Zusammenhang mit dem Abendmahl gesehen.

Davon abgesehen hat sich an der Bedeutung des Abendmahls nichts wesentliches geändert.

Versiegelung

„Ich glaube, daß die getauften Gläubigen nur durch Handauflegung eines lebenden Apostels mit dem Heiligen Geiste versiegelt werden müssen zur Erlangung der Erstlingschaft, und daß durch die Versiegelung die empfangenen Gaben lebendig gemacht werden.“13)

Die Versiegelung wird eine Geburt aus dem heiligen Geiste genannt. Die doppelte Wiedergeburt wird (in Anlehnung an Mk 4,28) in einem Bild vom Weizenkorn verdeutlicht:

Das Weizenkorn (der Leib) wird in Erde und Wasser (Taufe) gesät, dabei „stirbt“ es, bringt aber dabei neues Leben, einen Grashalm (den neuen Leib), hervor. Zur Frucht muss aber noch eine Geburt stattfinden, die jedoch nicht wie zuvor aus der Erde kommt, sondern aus dem Halm. Daraus geht die Frucht hervor, um genossen oder wieder ausgesät zu werden.

Ähnlich gehen die Versiegelten aus den Getauften hervor. „Durch die Taufe ist [zwar] die Seligkeit verheißen“, doch „durch die heil. Versiegelung [kommt] das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit und zur Auferstehung mit Christo dem Erstling in der ersten Auferstehung“ [S. 35]. Versiegelte haben „das Bürgerrecht der kommenden Herrlichkeit“ [S. 38].

Somit liegt in der Versiegelung die Gnadenwahl aus der Menge der Getauften zum königlichen priesterlichen Geschlecht. Durch die Aussonderung und Gnadenwahl in der Versiegelung sollen sie mit dem Erstlinge Christo Jesu zu Erstlingen werden. Diese Geburt geht aber aus dem Geisteswirken und aus der Gemeinschaft der Gläubigen hervor, wie auch Offbg. Joh. 7 uns vor Augen führt, wo nicht alle, die zu den 12 Stämmen gehören, versiegelt werden, sondern aus jedem Stamme nur 12000, aus allen Stämmen somit 144000 symbolisch gesprochen. … Durch die heilige Versiegelung werden die aus dem Geiste und Geistesamte Neugeborenen zu Tempeln des heiligen Geistes, worin Gott wohnen und wandeln will. … Der Geist des Menschen soll die Wohnstätte des heiligen Geistes sein … [S. 37]

Im Unterschied zur aktuellen Lehre empfängt man durch die Versiegelung nicht die Gotteskindschaft (die man bereits durch die Taufe und Eingliederung in den Leib Christi erhält), sondern das Bürgerrecht (oder Unterpfand) der künftigen Herrlichkeit und die Voraussetzung zur Erstlingschaft. Mit anderen Worten: zur Seligkeit genügt die Taufe, doch um Erstlinge zu werden wird die Versiegelung vorausgesetzt.

Außerdem sind Taufe und Versiegelung nicht zwei Teile einer Wiedergeburt, sondern zwei Wiedergeburten aus Wasser bzw. heiligem Geist.

Lehrbuch über Fragen und Antworten, 1916

Stammapostel Niehaus brachte 1916, also nur wenige Jahre nach dem Hülfsbuch, das Lehrbuch über Fragen und Antworten zum Gebrauch für den Religionsunterricht der Kinder und Konfirmanden in der Neuapostolischen Gemeinde heraus.

Taufe

Dem Täufling wird zugesichert, dass er „durch die Handlung in den Erlösungsratschluß der göttlichen Liebe wesentlich und persönlich aufgenommen“ ist und er erhält „die gewisse Zusage der Anwartschaft auf die Erbschaft des Reiches Gottes“ [Nr. 330]. Die Taufe ist (ergänzend zur Darstellung auf S. 5 in diesem Buch) „das Unterpfand zur Seligkeit durch den Glauben“ [Nr. 332]. Auch ist hier (erstmals?) von der „Erbsünde“ (im Hülfsbuch stand noch „Sünde“) und ihrer Abwaschung durch die Taufe die Rede [Nr. 333].

Auf die Frage, ob die in anderen Glaubensgemeinschaften empfangene Taufe auch in der Neuapostolischen Gemeinde gültig sei (vergl. auch S. 5), heißt es:

Ja. Wenn die Handlung im Namen des dreieinigen Gottes mit Glaubenswort und Wasser vollzogen ist, dann wird sie durch den von Gott und Christo bevollmächtigten Bundesschließer - den Apostel - bei der heiligen Versiegelung anerkannt und bestätigt. [Nr. 356]

Abendmahl

Das Heilige Mahl ist die Darreichung und der Genuß der Verdienste Jesu Christi in seinem geopferten Leibe und geopferten Blute, die in den Mitteln Brot und Wein geheimnisvoll, doch sichtbar, gespendet werden. [Nr. 361]

Der Feier des Heiligen Mahles geht die „Verkündigung des Wortes göttlicher Predigt und die Vergebung der Sünden“ voraus [Nr. 375].

Versiegelung

Zur Frage, was die Heilige Versiegelung ihrem Wert und ihrer Bedeutung nach sei, heißt es:

  1. Ist sie die höchste sakramentale Gnadentat, deren ein Mensch teilhaftig werden kann.
  2. Ist sie die Krone aller göttlichen Bundeshandlungen und die göttliche Adelsverleihung.
  3. Trägt sie die größten ewigen Gnadenrechte und Verheißungen Gottes und Jesu in sich, aber auch die höchsten Pflichten Gott und Menschen gegenüber. (Nr. 434)

Der Heilige Geist kann durch gleichgültigen Sinn und nachlässigen Wandel „wieder verlustig … gehen“ [Nr. 440], indem sich zunächst „andere Geister durch abweichende Gesinnungen, irrige Lehren und zu Sünden verführende Versuchungen … in unserem Geiste festsetzen und unser Denken, Tun und Lassen wieder in ihren Einfluß und ihre Beherrschung bringen“ [Nr. 441]; dadurch gehen „je länger je mehr alle Gnaden und Hoffnungen der sakramentalen Bündnisse verloren“ [Nr. 442]. Hilfe ist nur durch Buße, das „Wort göttlicher Predigt“, Gebete und ernsten Willen möglich [Nr. 443].

Als nicht zu vergebende Sünde wird in Anlehnung an Mk 3,28-30 die „Sünde wider den Heiligen Geist“ [Nr. 444] bezeichnet. Diese besteht darin, dass man „bewußterweise den Heiligen Geist der Gnade schmähet, die im heiligen Geisteswirken angebotene Gnade Jesu Christi wider besseres Wissen verhöhnt und lästert und das heilige Wirken des göttlichen Geistes wider die Überzeugung aus feindseligen und niedrigen Absichten als teuflisch und verführerisch öffentlich darstellt und zu verdächtigen sucht“ [Nr. 445].

Fragen und Antworten über den Neuapostolischen Glauben, 1938

Unter Stammapostel Bischoff erschien 1938 Fragen und Antworten über den Neuapostolischen Glauben, „in Anlehnung an das ‚Lehrbuch für den Religionsunterricht', das der verstorbene Hauptleiter der Neuapostolischen Kirche, Hermann Niehaus, herausgegeben hatte“14).

Änderungen der Glaubensartikel zu Taufe, Abendmahl und Versiegelung beschränken sich auf kleinere Anpassungen der sprachlichen Form, dennoch gibt es z. T. gewichtige Änderungen von Lehraussagen.

Taufe

„Ich glaube, daß der Mensch durch die Heilige Taufe das Kaufzeichen des Lammes empfängt und daß sie ferner das Bad der Wiedergeburt ist, wodurch der Mensch als Glied dem Leib Christi eingefügt wird, und daß sie endlich den Bund eines guten Gewissens mit Gott bedeutet.“15)

Dem Glaubensbekenntnis nach wird geglaubt, „daß der Mensch durch die Heilige Taufe das Kaufzeichen des Lammes empfängt und daß sie ferner das Bad der Wiedergeburt ist, wodurch der Mensch als Glied dem Leib Christi eingefügt wird“. In den Ausführungen zum Taufsakrament (Nr. 199-214) ist davon aber nichts mehr zu finden. Die Taufe wird auf den „Bund eines guten Gewissens zwischen Gott und dem Menschen“ [Nr. 254] beschränkt. Die Wirkung der Taufe besteht darin, „den Zufluß aller weiteren göttlichen Segnungen offen“ [Nr. 257] zu halten.

Die in anderen Gemeinschaften vollzogene Taufe erhält den Status einer Nottaufe:

Sie hat denselben Wert wie eine Nottaufe vor ihrer Bestätigung. Es ist also zu einer Bundesschließung mit Gott nicht gekommen, da die Handlung unvollständig ist. [Nr. 212]

Ihren „vollen Wert“ erhält eine solche Taufe durch „die vor der Versiegelung von dem Apostel ausgesprochene Bestätigung“ [Nr. 213].

Gegenüber der bisherigen Lehre wird die Taufe nun in zweifacher Hinsicht abgewertet:

  1. Sie ist nur noch der „Bund eines guten Gewissens“ und ein zwar notwendiges, aber relativ unbedeutendes Einstiegssakrament.
  2. Die in anderen Glaubensgemeinschaften vollzogene Taufe wird lediglich als Nottaufe angesehen, die zu ihrer vollen Gültigkeit von einem Apostel bestätigt werden muss.
Abendmahl

„Ich glaube, daß das Heilige Abendmahl zum Gedächtnis an das einmal gebrachte, vollgültige Opfer des bitteren Leidens und Sterbens Jesu Christi vom Herrn selbst eingesetzt ist, daß es mit ungesäuertem Brot und Wein gefeiert und daß beides von einem priesterlichen Amt der Kirche gesegnet und gespendet werden muß.“16)

Durch das Heilige Abendmahl „nehmen wir von dem Vermögen in uns auf, das Jesus durch seinen Opfertod für uns erworben hat“ [Nr. 215]. Durch seinen Genuss wird „nach erfolgter Freisprache eine völlige Tilgung der Schulden bewirkt. Außerdem gelangen wir durch das Heilige Abendmahl zu einer engen Gemeinschaft mit Jesus“ [Nr. 220].

Der Begriff Opfertod scheint hier zum ersten Mal verwendet zu werden. Zuvor war vom geopferten Leib bzw. Blut die Rede. Dem Leiden und Sterben Jesu wird in der systematischen Theologie (genauer: in der Soteriologie, der Lehre von der Heilsmittlerschaft Jesu) ein Verdienst (lat. meritum) zugeschrieben, das der Auferstandene seiner Gemeinde vermittelt.

Die Hauptwirkung des Abendmahls liegt nun in seiner sühnenden Kraft.

Versiegelung

„Ich glaube, daß die getauften Gläubigen durch Handauflegung eines lebenden Apostels zur Erlangung der Erstlingschaft mit dem Heiligen Geist versiegelt werden müssen, und daß durch die Versiegelung die empfangenen Gaben lebendig gemacht werden.“17)

War die Versiegelung bisher die Wiedergeburt aus Heiligen Geist in Ergänzung zur Wiedergeburt aus Wasser, so ist sie nun „der wesentlichste Teil der Wiedergeburt“ [Nr. 223]. Sie bewirkt „die völlige Wiedergeburt des Menschen. Diese Wiedergeburt macht uns zu Kindern Gottes“ [Nr. 233].

Außerdem ist die Versiegelung „das Kaufzeichen des Lammes und damit die vollkommene Besiegelung des wahrhaftigen Glaubens“ [Nr. 223].

Hier ergeben sich einige Änderungen zu früheren Lehraussagen:

  1. Anstelle zweier Wiedergeburten (aus Wasser bzw. Geist) gibt es nur noch eine einzige Wiedergeburt, die aus zwei Teilen besteht. Die Versiegelung ist dabei der wesentliche Teil und „macht uns zu Kindern Gottes“.
  2. Nach der bisherigen Lehre wurde man bereits durch die Taufe dem Leib Christi eingefügt und zu einem Gotteskind. Allerdings waren schon 1916 Tendenzen dahingehend erkennbar, die Versiegelung gegenüber der Taufe aufzuwerten.
  3. Im Widerspruch zum bis dahin immer noch gültigen 6. Glaubensartikel soll nach Nr. 223 die Versiegelung und nicht die Taufe das „Kaufzeichen des Lammes“ sein.

Fragen und Antworten über den Neuapostolischen Glauben, 1952

Das Lehrbuch Fragen und Antworten wurde 1952 überarbeitet18) und erschien bis zur Neubearbeitung 1992 in mehreren, kaum veränderten Nachdrucken. Mir liegen Ausgaben von 1956 und 1968 vor. Die auffälligsten Änderungen betreffen die Glaubensartikel und ihre Anpassung an die bereits 1938 veränderten Lehraussagen.

Taufe

„Ich glaube, daß die Heilige Taufe mit Wasser ein Bestandteil der Wiedergeburt ist und der Täufling dadurch die Anwartschaft zur Empfangnahme des Heiligen Geistes erlangt. Sie ist ferner der Bund eines guten Gewissens mit Gott.“19)

Das Verhältnis der Taufe zur Versiegelung wird konkretisiert: Die Taufe ist „ein Bestandteil der Wiedergeburt und die notwendige Voraussetzung zur Empfangnahme des Heiligen Geistes“ [Nr. 254]. Das Glaubensbekenntnis wurde konsequenter Weise an die bereits 1938 veränderte Lehre angepasst.

Abendmahl

„Ich glaube, daß das Heilige Abendmahl zum Gedächtnis an das einmal gebrachte, vollgültige Opfer des bitteren Leidens und Sterbens Christi, vom Herrn selbst eingesetzt ist. Der würdige Genuß des Heiligen Abendmahls verbürgt uns die Lebensgemeinschaft mit Christo Jesu unserem Herrn. Es wird mit ungesäuertem Brot und Wein gefeiert; beides muß von einem priesterlichen Amt der Kirche gesegnet und gespendet werden.“20)

Das Abendmahl steht nach wie vor in engem Zusammenhang mit der Freisprache, denn es ist „die Bestätigung, daß die Schuld erlassen ist“ [Nr. 275]. Doch es ist bereits eine Bedeutungsverschiebung erkennbar. Nicht mehr die „Tilgung der Schulden“21), sondern „die rechte Speise für unsere Seele“ [Nr. 277] steht im Vordergrund.

Versiegelung

„Ich glaube, daß die mit Wasser Getauften durch einen Apostel zur Erlangung der Erstlingschaft den Heiligen Geist empfangen müssen, wodurch sie als Glieder dem Leibe Christi eingefügt werden.“22)

Die Versiegelung ist nun neben der Spendung des Heiligen Geistes und dem wesentlichen Teil der Wiedergeburt auch „die Zeugung aus dem Geiste Christi und damit die Grundlage einer völligen Erneuerung der Gesinnung des Menschen [Nr. 281]; von einem „Kaufzeichen des Lammes“ ist jedoch keine Rede mehr.

Fragen und Antworten über den neuapostolischen Glauben, 1992

Unter Stammapostel Fehr haben „einige Apostel“23) eine Neubearbeitung der Fragen und Antworten vorgenommen, die 1992 erschienen ist. Die Änderungen am Glaubensbekenntnis betreffen die Sakramente kaum. Hier sollen vor allem die Lehränderungen dargestellt werden, die sich ergeben haben. Die Lehre selbst wurde bereits in 1.1.1 (S. 1) dargestellt; dennoch werden hier die Glaubensartikel noch einmal aufgeführt.

Taufe

„Ich glaube, daß die Heilige Taufe mit Wasser ein Bestandteil der Wiedergeburt ist und der Täufling dadurch die Anwartschaft zur Empfangnahme des Heiligen Geistes erlangt. Sie ist ferner der Bund eines guten Gewissens mit Gott.“24)

In den Erklärungen zur Taufe kommt erneut der Aspekt der Reinigung von Sünden zum Tragen, der 1938 (siehe S. 8) herausgefallen war: „Mit ihr verbunden ist die Abwaschung der Erbsünde, die durch den Sündenfall Adams und Evas bewirkte Sündhaftigkeit des Menschengeschlechts“ [Nr. 195]. Die Frage „Welche Wirkungen hat die Taufe?“ [wie in F&A 1956, Nr 257] fehlt.

Die exklusive Gültigkeit der neuapostolischen Taufe wird (sprachlich) ein wenig relativiert, indem die „Wassertaufe, die in einer anderen christlichen Gemeinschaft oder Kirche im dreieinigen Namen Gottes empfangen wurde, … von der Neuapostolischen Kirche als ein für diese Gemeinschaft gültiges Sakrament anerkannt“ [Nr. 202] wird.

Letztlich sind von der ursprünglichen Bedeutung der Taufe nur noch Fragmente übrig geblieben. Die Taufe ist nicht mehr:

  • Bad der Wiedergeburt,
  • Eingliederung in den Leib Christi,
  • Kaufzeichen des Lammes,
  • Unterpfand zur Seligkeit.

Sie ist lediglich:

  • ein Bestandteil der Wiedergeburt (wovon die Versiegelung bedeutender ist),
  • die Abwaschung der Erbsünde.

Die Erbsünde ist in diesem Zusammenhang ungenau definiert; Sünde mag durch die Taufe abgewaschen werden, nicht aber die Sündhaftigkeit (d. h. die Neigung, zu sündigen). Zudem ist Erbsünde ein Begriff, der in seiner heutigen Verwendung hauptsächlich durch Augustinus geprägt wurde und nicht in der Bibel vorkommt.

Abendmahl

„Ich glaube, daß das Heilige Abendmahl zum Gedächtnis an das einmal gebrachte, vollgültige Opfer, an das bittere Leiden und Sterben Christi, vom Herrn selbst eingesetzt ist. Der würdige Genuß des Heiligen Abendmahls verbürgt uns die Lebensgemeinschaft mit Christo Jesu, unserem Herrn. Es wird mit ungesäuertem Brot und Wein gefeiert; beides muß von einem priesterlichen Amt der Kirche gesegnet und gespendet werden.“25)

Das Abendmahl hat an Bedeutung zugenommen. Waren es bis dahin nur 10 Fragen, die sich darauf bezogen, sind es nun 15 Fragen; die Frage „Was ist das Heilige Abendmahl?“ [Nr. 203] erweitert das Bedeutungsspektrum dieses Sakraments wie oben (1.1.1) beschrieben. Die Sündenvergebung dagegen ist vom Abendmahl getrennt und diesem vorangestellt; das Abendmahl ist nicht mehr die Bestätigung oder Quittung für die empfangene Freisprache.

Versiegelung

„Ich glaube, daß die mit Wasser Getauften durch einen Apostel zur Erlangung der Gotteskindschaft den Heiligen Geist empfangen müssen, wodurch sie als Glieder dem Leibe Christi eingefügt werden.“26)

Aus der Verlagerung von Aspekten der Taufe auf die Versiegelung ergibt sich, dass die Versiegelung nicht mehr zur Erlangung der Erstlingschaft dient, sondern der Gotteskindschaft. Das wurde nun durch die Änderung des Glaubensartikels konsequent umgesetzt.

Stellungnahme von 2006

Am 24. Januar 2006 veröffentlichte die Kirchenleitung eine Stellungnahme mit dem Titel Das Verständnis von Taufe und Versiegelung in der Neuapostolischen Kirche. Dabei kam es zu einigen bemerkenswerten Änderungen im Verständnis dieser beiden Sakramente.

Darüber hinaus wird das Selbstverständnis der NAK als „Kirche Christi“ und ihr Verhältnis zu anderen christlichen Kirchen ein wenig ausgearbeitet. Dabei werden zwei verschiedene Begriffe von „Kirche“ verwendet27):

  1. Zur Kirche im weiteren Sinn gehören alle Christen, unabhängig von der jeweiligen Konfession.
  2. Kirche im engeren Sinn ist ausschließlich die NAK als „Kirche Christi“.
Taufe

Die Taufe wird nun auch dann als gültig anerkannt, wenn sie in einer anderen christlichen Kirche trinitarisch und mit Wasser vollzogen wurde. Die Gültigkeit der Taufe wird gemäß dem neuen Verständnis nicht mehr vom Apostelamt abhängig gemacht, sondern „Gott selbst [verleiht] der Handlung Gültigkeit und Wirkung“28). Durch die Taufe wird man Christ. Die Abwaschung der Erbsünde steht nach wie vor als Hauptwirkung der Taufe im Vordergrund. Voraussetzung für die Taufe ist das Bekenntnis zu Jesus Christus.

Gegenüber der Versiegelung wird die Taufe zumindest sprachlich aufgewertet, indem ausdrücklich gesagt wird, „dass zur Wiedergeburt aus Wasser und Geist sowohl die Heilige Taufe mit Wasser als auch die Heilige Versiegelung gehören“29) und „nicht gesagt werden [darf], dass erst und ausschließlich durch die Heilige Versiegelung die Gotteskindschaft vermittelt wird“30), dies freilich im Gegensatz zu F&A, wo es heißt, die Versiegelung sei „der wesentliche Teil der Wiedergeburt“ und durch sie werde ein Mensch zu einem Kind Gottes31).

Versiegelung

Die Heilige Versiegelung ist nun nicht mehr die Spendung „des“ Heiligen Geistes, sondern „die Übermittlung Heiligen Geistes“32).

In der Heiligen Versiegelung wird der Gläubige von Christus in das Lebensbuch des Lammes eingetragen. Er empfängt das Kaufzeichen des Lammes und ist berufen, zur Braut des Herrn zu gehören und Erstling im kommenden Reich Christi zu sein.33)

Die Gotteskindschaft, die Verheißung des Erbes der zukünftigen Herrlichkeit und die Eingliederung in den Leib Christi sind nun durch Taufe und Versiegelung zusammen gegeben.34)

Voraussetzung für die Versiegelung ist zum einen die vorhergehende Wassertaufe, zum andern das Bekenntnis zum Glauben an die Jesu- und Apostellehre.

Der Weg zur Erlösung geht über zwei Stufen. Die erste Stufe ist die Taufe, verbunden mit der Aufnahme in die Kirche im weiteren Sinn. Die zweite Stufe bildet die Versiegelung mit der Aufnahme in die Kirche Christi. Wenn auch betont wird, die Gotteskindschaft werde durch den Vollzug beider Handlungen erlangt, so das praktisch erst nach der Versiegelung der Fall, da die Taufe notwendige Voraussetzung für die Versiegelung ist. Somit besteht offenbar derzeit auch keine Notwendigkeit, den 8. Glaubensartikel erneut zu ändern und „Gotteskindschaft“ wieder durch „Erstlingschaft“ zu ersetzen.

4.5.3 Taufe und Ökumene

In der folgenden Tabelle werden die Eigenschaften oder Wirkungen (Attribute) von Taufe und Versiegelung aufgeführt; dabei wird deutlich, dass sich einige Attribute im Laufe der Zeit von der Taufe auf die Versiegelung verlagert haben; die auffälligste Änderung fand um 1938 statt, wobei im Glaubensbekenntnis die Taufe z. B. als „Kaufzeichen des Lammes“ bezeichnet wurde, in den erklärenden Texten35) jedoch die Versiegelung.

Attribut 1836 1908/1916 1938 1952 1992 2006
Abwaschung der (Erb-) SündeTaufeTaufe TaufeTaufe
Bad der WiedergeburtTaufe → Versiegelung36)
Wiedergeburt aus Wasser Taufe Taufe/Versiegelung
Wiedergeburt aus Heiligem Geist Versiegelung Taufe/Versiegelung
Kaufzeichen des Lammes Taufe→ Versiegelung Versiegelung
Bund eines guten Gewissens TaufeTaufeTaufeTaufe
Einfügung in den Leib ChristiTaufeTaufe VersiegelungVersiegelungTaufe/Versiegelung
Verheißung der SeligkeitTaufeTaufe
Verheißung der HerrlichkeitVersiegelungVersiegelungVersiegelungVersiegelungVersiegelungTaufe/Versiegelung
ErstlingschaftVersiegelungVersiegelungVersiegelungVersiegelung Versiegelung
GotteskindschaftTaufe VersiegelungVersiegelungVersiegelungTaufe/Versiegelung
Exklusivität der eigenen Taufeneinneinjajajanein

Taufe und Versiegelung und ihre Attribute im Wandel der Zeit

Die auffälligste Unstimmigkeit besteht in der Frage, welches Sakrament das Bad der Wiedergeburt darstellt, somit zu einem Gotteskind macht und in den Leib Christi (d. h. die Gemeinschaft der Kirche Christi) aufnimmt. Ursprünglich hatte die Taufe (nunmehr Wassertaufe genannt) diese Eigenschaften bzw. Wirkungen, heute ist es die Versiegelung (zusammen mit der Taufe).

Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, es spiele keine Rolle, ob die Gotteskindschaft oder die Kirchengemeinschaft an der Taufe oder der Versiegelung hinge; die Hauptsache sei, dass dies überhaupt durch die Sakramente gewährleistet werden könne. Doch zumindest hinsichtlich der anvisierten Öffnung zur Ökumene37) gibt es durch die aktuelle Lehre Probleme, denn andere Christen können so nach neuapostolischer Lehrauffassung keine Christen im eigentlichen Sinn sein, weil sie nicht wiedergeboren, keine Gotteskinder und keine Glieder im Leib Christi sind. Durch die Lehränderung von 2006 gibt es zwar eine gewisse Lockerung der Exklusivität hinsichtlich der Taufe, am grundsätzlichen Problem ändert sich dadurch jedoch nichts.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, in welcher Weise die Kirchenleitung vom Heiligen Geist geleitet wird, wenn sie etwa hundert Jahre benötigt, um zu erkennen, dass man nicht durch die Taufe, sondern erst durch die Versiegelung das Kaufzeichen des Lammes erhält.

Wie oben gezeigt wurde, ist das Taufverständnis der NAK exklusivistisch: nur die von einem neuapostolischen Apostel durchgeführte Versiegelung führt (zusammen mit der Taufe) zur Gemeinschaft des Leibes Christi und somit zur Gotteskindschaft.

Seit Anfang der 90er Jahre ein Öffnungsprozess eingesetzt hat, werden immer wieder Konflikte deutlich: einerseits möchte man am lieb gewonnenen exklusiven neuapostolischen Profil festhalten, andererseits soll die NAK aus der Sektenecke heraus kommen. Beides zusammen geht nicht, und der Kirchenleitung fehlte offenbar entweder der Wille oder die Kraft, sich für einen klaren Weg zu entscheiden. Erfreulich ist immerhin die Richtung, die durch die Stellungnahme von 2006 aufgezeigt wird.

Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Unwiederholbarkeit von Taufe und Versiegelung38):

„Im Zweifel muss getauft werden.“39) Das heißt, wenn unsicher ist, ob eine Taufe gültig ist oder nicht, muss getauft werden - wenn sie jedoch gültig war, handelt es sich um eine Wiedertaufe, was nicht sein darf. In der katholischen Kirche gibt es für solche Fälle die Konditionaltaufe, wobei ausdrücklich unter der Bedingung getauft wird, dass die Taufe nicht gültig vollzogen ist. Diese Praxis kennt die NAK nicht.

Ähnliches gilt für die Versiegelung, hier allerdings eher in Bezug auf die „kleine“ Ökumene zwischen den apostolischen Gemeinschaften.

Übersicht

1)
F&A 1992, Nr. 192, „Was sind Sakramente?“
2) , 24)
F&A 1992, 6. Glaubensartikel
3)
Vergl. F&A 1992, Nr. 195, „Was ist die Heilige Wassertaufe?“
4) , 25)
F&A 1992, 7. Glaubensartikel
5)
F&A 1992, Nr. 93
6) , 26)
F&A 1992, 8. Glaubensartikel
7) , 31)
F&A 1992, Nr. 218
8)
Testimonium, aufgestellt im Jahre 1836. Synopse Deutsch-Englisch. [Dokument a-006b unter http://www.apostolic.de/]
9)
Katechismus der Katholisch-apostolischen Gemeinden, editiert von Peter Sgotzai, Dokument a-635 unter http://www.apostolic.de/
10)
Hülfsbuch, 1908, S. 16, 6. Glaubensartikel
11)
Hülfsbuch, 1908, S. 16, 7. Glaubensartikel
12)
Vergl. F&A 1992, Nr. 203-217
13)
Hülfsbuch, 1908, S. 16f, 8. Glaubensartikel
14)
F&A 1938, aus dem Vorwort von Stammapostel Bischoff
15)
F&A 1938, 6. Glaubensartikel
16)
F&A 1938, 7. Glaubensartikel
17)
F&A 1938, 8. Glaubensartikel
18)
Hutten, Seher, Grübler, Enthusiasten, S. 482
19)
F&A 1956, 6. Glaubensartikel
20)
F&A 1956, 7. Glaubensartikel
21)
F&A 1938, Nr. 220
22)
F&A 1956, 8. Glaubensartikel
23)
F&A 1992, Vorwort
27)
Stellungnahme Das Verständnis von Taufe und Versiegelung in der Neuapostolischen Kirche, S. 2, Fußnote 6
28)
Stellungnahme Taufe u. Versiegelung, S. 3, Fußnote 16
29)
Stellungnahme Taufe u. Versiegelung, S. 4, Fußnote 18
30)
Stellungnahme Taufe u. Versiegelung, S. 4, Fußnote 20
32)
Stellungnahme Taufe u. Versiegelung, S. 4, Nr. 2.1
33)
Stellungnahme Taufe u. Versiegelung, S. 4, Nr. 2.3
34)
Stellungnahme Taufe u. Versiegelung, S. 4, Nr. 2.2
35)
F&A 1938, Nr. 223 – siehe oben, S. 10
36)
Der Pfeil deutet an, dass dieser Aspekt von der Taufe auf die Versiegelung übergeht; im Glaubensbekenntnis ist er noch der Taufe zugeordnet, in der Lehre nicht mehr.
37)
Siehe Fußnote 28 auf Seite 13.
38)
Stellungnahme Taufe u. Versiegelung, S. 3, Nr. 1.5 und S. 5, Nr. 2.6
39)
Stellungnahme Taufe u. Versiegelung, S. 3, Fußnote 17
sakramente.txt · Zuletzt geändert: 2010/12/14 10:58 von 127.0.0.1
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